»Plan b.« füllt ihrer Ansicht nach eine bestehende Lücke, wenn es um die Beisetzung von Toten ohne Glaubensgemeinschaft geht.

»Plan b.« füllt ihrer Ansicht nach eine bestehende Lücke, wenn es um die Beisetzung von Toten ohne Glaubensgemeinschaft geht.

Bild: GettyImages

Trauerbegleitung

Emotionales Abschiednehmen

Bestattungsinstitute und Kirchen reagieren auf den Wandel in der Trauerkultur. Zwei Frauen haben in Regensburg ein Bestattungsinstitut gegründet und werben damit, Angehörige vor allem emotional begleiten zu wollen. Auch die Kirchen bieten heute viel Raum für Individuelles in der Trauerbegleitung.

Bei Anni Klostermeier und Magdalena Schwarzwald ist der Name Programm: »Plan b.« nennen sie ihr neues Bestattungsinstitut in der Regensburger Altstadt. Nicht dunkle, sondern warme Herbsttöne dominieren den Raum, in dem sie die trauernden Angehörigen empfangen. Grüne und orange Kissen liegen in einer Kuschelecke. Im Schaufenster steht ein schlichter Kiefernholz-Sarg mit Sprüchen und Zeichnungen darauf. Nur ein Trockenblumenstrauß erinnert an die Vergänglichkeit. Ein Kreuz an der Wand findet man nicht. 

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Die beiden Frauen geben an, dass sie ihr Handwerk erledigen wie viele herkömmliche Bestattungsinstitute auch. »Wir holen den verstorbenen Menschen ab, waschen ihn, machen die Koordination mit den Friedhöfen«, sagt Magdalena Schwarzwald (32) von »Plan b.«. Was sie aber anders machen: Sie wollen die Angehörigen durch den Trauerprozess »emotional begleiten«. Vom ersten Anruf bis zum Nachgespräch. »Das ist immer ein intensiver Prozess, um herauszufinden, was für die Menschen stimmig ist, dass sie einen guten Abschied nehmen können«, sagt Schwarzwald. 

Wenn die Angehörigen zum Bestattungsinstitut kommen, soll es nicht darum gehen, welche Urne oder welcher Sarg, welches Blumengesteck gewählt wird. Im Zentrum stünden Fragen wie: Soll der oder die Verstorbene noch einmal nach Hause geholt werden, wollen die Angehörigen beim Waschen und Ankleiden dabei sein, will jemand den Sarg oder die Urne individuell gestalten? Damit für all das Raum bleibt, hätten sie ihre »Produktpalette radikal reduziert«. Zum Beispiel stehe nur noch ein Kiefernholz-Sarg zur Auswahl. 

Die Idee sei es, aus der Bestattung einen »partizipativen Prozess« zu machen, sagen die beiden. Die Trauer-Rituale, die es seit Jahrtausenden gibt, sollen »wieder mit einer individuellen Bedeutung« aufgeladen werden. »Wenn eine Verstorbene gerne gestrickt hat, dann dürfen auch Wollreste mit ins Grab.« Die Verbindung, die Liebe zur und die Erinnerung an die verstorbene Person sollen gefeiert werden. 

Die beiden Frauen haben soziale Arbeit studiert und machen ihren Master in »Perimortalen Wissenschaften« an der Universität Regensburg. Der Studiengang befasst sich mit Themen rund um Tod und Trauer. Nach einem Praktikum an einem alternativen Bestattungsinstitut in Berlin entwickelten sie ihren Businessplan. 

In gewisser Weise sind solche Bestattungsunternehmen zur Konkurrenz für die kirchliche Trauerbegleitung geworden. »Für mich ist völlig klar, dass Menschen, die nicht konfessionell gebunden sind, davon profitieren, dass die Kirche in dem Bereich kein Monopol mehr hat«, sagt der Trauerbegleiter der bayerischen Landeskirche, der evangelische Pfarrer Rainer Liepold. Dennoch erweckten diese Bestattungsinstitute den Eindruck, dass sich Kirche nur auf das Religiöse beschränke, kritisiert er. 

»Das ist nicht so«, sagt Liepold. Kirche, ihre Einrichtungen und Dienste brächten ein »sehr hohes Maß an Kompetenz« in der Begleitung von Trauernden mit. »Was wir vermitteln können, sind authentische Überzeugungen.« Es sei ein Unterschied, ob jemand am Grab von einer Glaubenssituation spricht oder ob jemand »Goethe, Kant, Buddha oder Jesus austauschbar zitiert, weil es so gewünscht wird«. 

Zudem gibt der Theologe zu bedenken, dass Kirche in solchen Situationen frei von kommerziellen Interessen agiert. »Wir wollen niemandem etwas verkaufen, wir erbringen unsere Leistung unabhängig davon, was Menschen uns bezahlen, auch unabhängig davon, ob sie davor Kirchensteuer bezahlt haben.« 

Seit einigen Monaten sind die beiden Frauen von »Plan b.« nun im Trauer-Geschäft. Sie dachten, es würde langsam anlaufen, sodass sie ihre Masterarbeit schreiben könnten. Doch daraus wurde nichts. In zehn Monaten organisierten die beiden Frauen Beisetzungen für 55 Familien. »Damit haben wir nicht gerechnet.« 

»Plan b.« füllt ihrer Ansicht nach eine bestehende Lücke, wenn es um die Beisetzung von Toten ohne Glaubensgemeinschaft geht. »Ganz viele Menschen haben eine abstrakt religiöse und spirituelle Idee, was passiert, wenn das irdische Leben vorbei ist«, stellt Schwarzwald fest. »Plan b.« solle ein »neutraler Raum« sein, damit Menschen »herausfinden können, was sie im Trauerprozess brauchen«. 

Auch bei Pfarrerin Julia Sollinger rücken die Wünsche der Angehörigen mehr und mehr in den Mittelpunkt. Sie ist eine junge Theologin in einer Oberpfälzer Landgemeinde. Bei ihr gibt es noch viele klassische Beerdigungen, die nach den Regeln der christlichen Liturgie ablaufen. »Die Menschen sind damit extrem zufrieden und wollen auch gar nichts anderes«, sagt die Pfarrerin. Sollten die Trauernden einmal etwas anders wünschen, »gehe ich total gerne darauf ein, weil ich möchte, dass der Ausdruck der Feier dem Gefühl, den Sehnsüchten und den Fragen der Menschen entspricht«. 

Sinnvolle Kooperationen gibt es heute schon – trotz eines gewissen Gegensatzes zwischen klassischer Liturgie und den neuen Ritual-Suchenden. »Ich kooperiere gerne mit Bestattern, die ihr Handwerk verstehen, die auch die ganze emotionale Tiefengrammatik eines Trauerfalls gut begleiten können«, sagt Pfarrer Liepold. 

15.10.2024
Gabriele Ingenthron